Mit Applaus die Lutter begrüßt
Freude am Ufer: »Jetzt haben wir auch einen richtigen Fluss in Bielefeld«
Hunderte säumten die Ufer der Lutter, um zu beobachten, wie das Wasser durch sein oberirdisches Bett im Grünzug am Gymnasium Am Waldhof strömte. Die Lutter floss 100 Jahre unterirdisch. Fotos: Büscher
Bielefeld (bp). Als das Wasser aus dem Zulauf schoss, die ersten Bruchsteine umspülte und dann das Bachbett flutete, da forderte Kabarettist Heinz Flottmann die Zuschauer auf, die Lutter mit der »La Ola«-Welle zu begrüßen. Der Ostwestfale an sich, das war Flottmann, alias Jürgen Rittershaus klar, geht nicht so schnell aus sich heraus. Aber immerhin für lauten Beifall für die Lutter reichte das regionale Temperament.
Kabarettist Heinz Flottmann, assistiert von den Wassergeistern, hatte die ehrenvolle Aufgabe, den Zufluss der Lutter frei zu geben.
»Jetzt haben wir auch einen Fluss«, freuten sich die Bielefelder - mehrere hundert waren es, als der Zustrom geöffnet wurde -, und das war ganz im Sinne des Vereins »Pro Lutter«. Der hatte sich erst vor zwei Jahren gegründet mit dem Ziel, den um die Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert verrohrten Bach zwischen Kunsthalle und Oststraße wieder an die Oberfläche zu holen. Projektleiter Martin Enderle freut sich: »Das erste Stück ist geschafft - und zwar ohne öffentliche Mittel.« Mit den knapp 300 Metern im Grünzug am Gymnasium Am Waldhof sei ein Anfang gemacht.
Was als nächster Schritt geplant ist, stellte Erik Böker, der an der TU Berlin Landschaftsarchitektur studiert, an einem Informationsstand vor: die so genannte Lutter-Promenade, ein neu gestalteter Verbindungsweg zwischen dem Gymnasium am Waldhof und dem Cafe Rodin/Kunsthalle - auf der unterirdischen Lutter - und die Freilegung des Baches im Grünzug am Finanzamt. Böker, in Bielefeld zur Schule gegangen, hat die Lutter zum Thema seiner Diplomarbeit gemacht.
Enderle und Bruno Peters, Vorstand von »Pro Lutter«, betonten allerdings: »Unsere Mittel sind aufgebraucht.« Zudem sei es nicht möglich, eine weitere Offenlegung der Lutter allein aus Sponsoren-geldern zu finanzieren. Der Verein setze nunmehr auf Unterstützung durch das Land.
Kabarettist Heinz Flottmann als »Festredner« meinte, die allermeisten Bielefelder hätten vergessen, dass es die Lutter überhaupt noch gibt.
Obwohl er an die Berechnungen der Vereins »Pro Lutter« glaube, dass nur das Bett benässt würde, gab Flottmann doch zunächst einige Verhaltensmaßnahmen für Nichtschwimmer, Freischwimmer und Rettungsschwimmer durch: »... falls die Lutter jetzt doch die Altstadt flutet...« Wie bereits beim Probelauf im Juli verhielt sich der Bach »nach Vorschrift«, umspülte die Insel, auf der »Pro Grün« zum 30-jähri-gen Vereinsjubiläum eine Esche pflanzte, und verschwand dann wieder kurz vor der Straße Am Waldhof im Untergrund.
Die »Vier Schulen an der Lutter« (Gymnasium am Waldhof, Ratsgymnasium, Ceciliengymnasium, Helmholtzgymnasium) gestalteten ein vielfältiges musikalisches Programm, Wasser- und Luttergeister (die Klasse 5a des Gymnasiums Am Waldhof) bevölkerten das Areal, »Luttersteine« und »Lutterbrocken« aus dem Cafe Fasson gab es zu kosten, und wer wollte, konnte sie mit (hochprozentigem) Lutterwasser hinunterspülen. Die Kaufmannschaft. Altstadt verkaufte »Altstadt-Becher«, der Historische Verein bot ein Sonderheft zur Lutter an.
Westfalen Blatt vom 11.10.2004